Mittwoch, 9. März 2022

[ #Digitalisat ] Sensationelles Dokument online: Cabaret Voltaire : eine Sammlung künstlerischer und literarischer Beiträge


Die einzige Ausgabe der Zeitschrift Cabaret Voltaire erschien am 5. Juni 1916. 

Namen über Namen.  Initiiert von Hugo Ball enthielt sie, neben  künstlerischen und literarischer Beiträgen von Guillaume Apollinaire, Hans Arp, Hugo Ball, Francesco Cangiullo, Blaise Cendrars, Emmy Hennings, Jacob Van Hoddis, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco, Wassilii Kandinsky, F.T. Marinetti, L. Modegliani, M. Oppenheimer, Pablo Picasso, O. Van Rees, M. Slodki, Tristan Tzara, den erstmaligen Druck des Wortes Dada!:
"Das kleine Heft, das wir heute herausgeben, verdanken wir unserer Initiative und der Beihilfe unserer Freunde in Frankreich, Italien und Russland. Es soll die Aktivität und die Interessen des Cabarets bezeichnen, dessen ganze Absicht darauf gerichtet ist, über den Krieg und die Vaterländer hinweg an die wenigen Unabhängigen zu erinnern, die anderen Idealen leben. Das nächste Ziel der hier vereinigten Künstler ist die Herausgabe einer Revue Internationale. La revue paraîtra à Zurich et portera le nom "DADA". ("Dada") Dada Dada Dada Dada.
Cabaret Voltaire. Am 5. Februar 1916 gründete Hugo Ball mit seiner Freundin Emmy Hennings in Zürich in der Spiegelgasse 1, unweit von Lenins Exilwohnung, das Cabaret Voltaire. Zuerst führte er mit ihr simple, aber auch exzentrische Programme auf. Sie sang Chansons und er begleitete sie auf dem Klavier. Nach ein paar Wochen lernte er den rumänischen Dichter Tristan Tzara kennen, der ebenfalls in Zürich lebte. Die beiden sympathisierten miteinander, da beide einen ungewöhnlichen Sinn für Geist und Anti-Geist besaßen. Menschlich ergänzten sie sich sehr gut, weil Hugo Ball eher ruhig und nachdenklich war, während Tristan Tzara ein unglaublich lebhafter, niemals ruhiger Mensch war. Er war also wie geschaffen für Hugo Balls Cabaret Voltaire. Als Tzara dann auch seine Gedichte rezitierte, unterbrach er sie oft selbst durch Schreien oder Schluchzen. Die Vorträge im Cabaret Voltaire wurden jetzt zunehmend durch Trommeln, Schlagen und auch Verwendung zweckentfremdeter Gegenstände, wie zum Beispiel leerer Kisten, ergänzt. Das Publikum reagierte zunächst sehr verwundert, ja eingeschüchtert.

Im Jahr 1916 schlossen sich auch Hans Arp und Richard Huelsenbeck Hugo Ball an. Sie begannen, Papier- und Holzschnitte anzufertigen, die ebenso wie die Vorstellungen im Cabaret den Anti-Kunst-Charakter besaßen. Zu guter Letzt schloss sich Marcel Janco der Gruppe an. Auch er war Rumäne wie Tristan Tzara. Beide bejahten in ihren Redeströmen des Öfteren mit „da, da“, was übersetzt eben „ja, ja“ heißt. Das kann ebenfalls der ausschlaggebende Punkt für Hugo Ball gewesen sein, diese Kunst „Dada“ zu nennen. Tzara, Huelsenbeck und Janco trugen im März 1916 das erste Simultangedicht vor.

Tristan Tzara gab 1916 die Zeitschrift Dada heraus. Im Kreis der Dadaisten war man froh, dass ein Dichter seines Ranges diese Aufgabe übernahm. Mit der Zeitschrift versuchte Tzara, mit Dichtern aus anderen Ländern Kontakt aufzunehmen. Da er ein für seine Zeit exzellenter Polemiker war, war er natürlich wie geschaffen für Manifeste und ähnliche Verlautbarungen, die die „Dadaisierung“ zur Aufgabe hatten. Er grenzte Dada vom Futurismus ab, der ein Programm habe, das seine Werke zu erfüllen suche, während beim Dadaismus kein Programm vorhanden sei, das man erfüllen könne und dessen Programm es sei, keines zu haben.