Der Zusammenhalt der Schweiz war nach Ausbruch des I. Weltkrieges gefährdet. Ist der 26. Oktober vielleicht auch ein Gedenktag für die Schweizer Neutralität?
Die "Neue Helvetische Gesellschaft" ersuchte am 26.Oktober 1914 den Schriftsteller Carl Spitteler als Vertreter der geistigen Elite der Schweiz, für ein gesamtschweizerisches Zusammenstehen in einer Rede besonderes Gewicht zu verleihen. Das Werk steht auf den Seiten der State Library Victoria in Melbourne (Australien) als Retrodigitalisat online und als PDF-Datei zum Download bereit.
Nobelpreis. Er hielt diese Rede: "Unser Schweizer Standpunkt". Genau am 14. Dezember 1914 vor der "Neuen Helvetischen Gesellschaft" (NHG), Gruppe Zürich, im Saal zu Zimmerleuten, das heißt im Zunfthaus zu Zimmerleuten am Zürcher Limmatquai. Und er sorgte für Aufregung. Eine Aufregung, die ihn 1915 für den Literaturnobelpreis durchfallen ließ und die ihm 1919 endlich die verdiente Auszeichnung sicherte. Seine Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis war unter anderem eine Folge der französischen Rezeption seiner Rede von 1914. Speziell Romain Rolland machte sich für Spitteler stark, um einen politischen Literaten zu ehren. In England und den USA hieß es denn auch irrig, die schwedische Akademie hätte Spitteler für seine während des Krieges gehaltene Rede mit dem Friedenspreis gekrönt.
Carl Friedrich Georg Spitteler (* 24. April 1845 - † 29. Dezember 1924 - Pseudonym Carl Felix Tandem). Er wurde am 24. April 1845 in Liestal bei Basel als Sohn eines Richters geboren. Als er 4 Jahre alt war zog die Familie nach Bern, doch schon 6 Jahre später kehrten sie wieder nach Liestal zurück. Dort trat er in das humanistische Gymnasium in Basel ein. Das Jurastudium, das er 1863 in Basel aufnahm, befriedigte ihn nicht. Es kam zu einer tiefen Krise. In einer fluchtartigen Wanderung gelangte er im Dezember 1864 bis Luzern, wo er sich längere Zeit, getrennt von seiner Familie, aufhielt. Mit 17 Jahren entschied er sich für eine Laufbahn als Schriftsteller.
Theologieexamen. Ab 1865 studierte er zunächst Geschichte bei Jacob Burckhardt in Basel, später, obwohl er Atheist war, evangelische Theologie in Zürich und Heidelberg. Dann kehrte er nach Basel zurück und versuchte das Theologieexamen, doch es missglückte. Zwei Jahre später beim zweiten Versuch bestand er es. Anstatt jedoch als Pfarrer eine ihm zugewiesene Pfarrei zu übernehmen, verließ er die Schweiz, um als Hauslehrer nach Russland zu gehen. 1873 ging er nach Finnland, kehrte aber kurze Zeit später wieder nach St.Petersburg zurück und trat wiederum eine neue Hauslehrerstelle an. Nach 6 Jahren reiste er wieder in die Schweiz zurück und lehrte er in Bern an einer Mädchenschule.
Journalist. Nach dem jahrelangen weltmännischen Leben in Adelsfamilien in Russland war er enttäuscht vom Klima in der Schweiz. "Was für ein Gegensatz! und welch ein Hohn im Gegensatz! Draußen in der Fremde: offene Arme, warme Aufnahme, gutwillige Duldung seiner Eigentümlichkeit, Nachsicht gegen seine Fehler; hier in der Heimat: engherzige Nörgelei, Unfehlbarkeitsdünkel, Verneinung seiner gesamten Persönlichkeit", hieß es in dem stark autobiographisch gefärbten Roman Imago über diesen Eindruck. Ein Jahr danach zog er nach Zürich, arbeitete dort als Lehrer und schrieb sein erstes Werk : "Prometheus und Epimetheus ". 1880 gab er diesen Beruf zugunsten journalistischer und literarischer Tätigkeiten auf.
Mit 38 Jahren heiratete er 1883 Maria Op den Hooff und arbeitete als Redakteur in Basel. Es folgte die Geburt der ersten Tochter. Eines seiner Bücher "Das Wettfasten vom Heimligen "erschien in der Neuen Zürcher Zeitung. Danach folgten mehrere Geschichten, etwa "Der Parlamentär" und der Gedichtband "Schmetterlinge". Von 1890 bis 1892 leitete er die Feuilletonredaktion der Neuen Züricher Zeitung. Es folgte die Geburt der zweiten Tochter und die Familie zog 1893 nach Luzern in das Haus des Schwiegervaters um. Nunmehr frei von materiellen Sorgen, konnte er sich ganz seinen schriftstellerischen Arbeiten widmen.
Olympischer Frühling. Im Jahre 1905 erscheint sein Hauptwerk "Olympischer Frühling". Vier Jahre danach wurde Carl Ehrenbürger von Luzern. 1904 wurde ihm gemeinsam mit den späteren Nobelpreisträgern Thomas Mann und Hermann Hesse die Auszeichnung der Bauernfeldstiftung zuteil. 1909 machte ihn die Stadt Luzern zu ihrem Ehrenbürger.
Unser Schweizer Standpunkt. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges trat er in seiner Rede "Unser Schweizer Standpunkt" für eine unbedingte Neutralität der Schweiz ein. 1919 erhielt Carl Spitteler als erster Schweizer den Nobelpreis für Literatur und 1920 auch den Schillerpreis. 1921 wurde er zum Kommandeur der französischen Ehrenlegion ernannt. Carl Spitteler starb am 29. Dezember 1924 in Luzern.
Werke. Carl Spitteler schrieb neben seinen anderen Berufen häufig Artikel für die Neue Zürcher Zeitung ehe er als freier Schriftsteller arbeiten konnte. Er schrieb mythologische Epen, in denen antike Götter und Heroen modern umgedeutet werden. Seine Gestalten verkörpern Außenseitertum und zeigen Mitleid mit dem Leiden der unschuldigen in der Welt. Spitteler war auch Lyriker, Erzähler und Essayist.
Erst 1881 - und auch noch unter dem Pseudonym Carl Felix Tandem - erschien sein erstes Werk Prometheus und Epimetheus. Es blieb weitestgehend unbeachtet, auch wenn sich zum Beispiel Gottfried Keller sehr beeindruckt zeigte. Bekannter wurde Spitteler durch seine journalistischen Arbeiten, die zuerst in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und dann in Sammelbänden wie Literarische Gleichnisse (1892) und Lachende Wahrheiten (1898) erschienen, sowie durch Erzählungen wie Conrad, der Leutnant (1898). Seine Versuche, auf der Bühne Fuß zu fassen, misslangen total. Die einzige Aufführung eines seiner Stücke gab es mit dem "Parlamentär" am 1. November 1889 in Basel - und es war ein Reinfall.
Spitteler sah sein eigentliches künstlerisches Anliegen im großen Epos. Sowohl seine Erzählungen als auch seine Gedichte (die Sammlungen Schmetterlinge und Glockenlieder) verstand er als Übungen, "damit ich zukünftige schwerere und größere Werke in klingende Form fügen kann". Der Durchbruch im Schaffen Spittelers kam mit dem Versepos "Olympischer Frühling" (wofür er auch offiziell den Nobelpreis bekam), dessen vier Teile (Die Auffahrt; Hera, die Braut; Die hohe Zeit; Ende und Wende) zwischen 1900 und 1905 entstanden. Es geht darin um den Aufstieg der jungen Götter aus dem Hades zum Olymp, um die Auseinandersetzung zwischen Zeus und Apoll um Hera, um viele einzelne Geschichten, die sich um verschiedene Götter wie Apoll, Hermes, Dionysos, Poseidon u. a. ranken; schließlich wird die Hinwendung der Götter zur Menschenwelt in Gestalt des Herakles dargestellt. Bei aller Bezogenheit zu der griechischen Mythologie wird dem Leser schnell klar, dass es eine ganz eigene Welt ist, die Spitteler hier darstellt, und dass nicht Griechenland, sondern seine Schweizer Heimat den Rahmen bildet.
Eine besondere Stellung unter den Werken des Dichters nimmt sein einziger Roman "Imago" (1906) ein. Es ist die Liebesgeschichte Spittelers zu seiner Cousine Ellen Vetter-Brodbeck, und es ist zugleich eine differenzierte Darstellung der Beziehung von Kunst und Leben. "Imago" war für den Dichter nicht nur ein Kunstwerk, es war sein Herzblut: "Für meine Lebensgeschichte, also für meine Biographen wird es das allerwichtigste Dokument sein. Ich erscheine in allen meinen Werken verhüllt und maskiert, hier zeige ich meiner Seele kleinste Faser." Nicht zufällig benannte Sigmund Freud 1912 auf Vorschlag von Carl Gustav Jung seine Zeitschrift für die Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften nach dem Roman Imago.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören "Prometheus und Epimetheus" (1881), "Extramundana" (1883), "Bacillus" (1888), "Das Bombardement von Åbo" (1889), "Schmetterlinge" (1889), "Das Wettfasten von Heimligen" (1890), "Friedli der Kolderi" (1891), "Gustav" (1891), "Literarische Gleichnisse" (1892), "Der Ehrgeizige" (1892), "Balladen" (1896), "Der Gotthard" (1897), "Conrad, der Leutnant" (1898), "Lachende Wahrheiten" (1898), "Die Auffahrt" (1900), "Hera die Braut" (1901), "Die hohe Zeit" (1903), "Ende und Wende" (1904), "Der olympische Frühling - 4 Bände (1900 - 1905, zweite Fassung 1910), "Imago (1906, psychoanalytischer Roman) und "Prometheus der Dulder" (1924).
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- Retrodigitalisat: Unser Schweizer Standpunkt CARL SPITTELER Vortrag, gehalten in der Neuen Helvet. Gesellschaft, Gruppe Zürich, am 14. Dezember 1914 . 1915 Verlag von RASCHER & Cie in ZÜRICH. Schriften fur Schweizer Art und Kunst 2
- Carl Spitteler - Werke - Nobelpreis
- Offizielle Seite der Carl Spitteler-Stiftung Luzern
- Carl Spitteler - Werke - Projekt Gutenberg
- Carl Spitteler - Zeno.org
- Carl Spitteler: Historisches Lexikonder Schweiz
- [Google Search] ⇒ Carl Spitteler: Unser Schweizer Standpunkt
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- 20.3.17 [Letzte Aktualisierung, online seit 26.10.11]