Donnerstag, 18. Februar 2021

[ #eText ] Alemannische Bibel Online


Es ist keine Digitalisierung einer aufgefundenen "alemannischen" Bibel, sondern ein Privatprojekt. Der Dialekt mag schon innerhalb der Ortsgrenzen umstritten sein, aber der "Übersetzer" wird sich nicht nur auf Luthers Spuren fühlen. sondern auch ein Verständnis, was Bibelübersetzung impliziert, bekommen haben.

Alemannische Bibel Online. 47 Bücher seit dem 1. Dezember 1999 bis zum 25.01.2018 ins Alemannische übertragen. Das Neue Testament (Naies Teschtament) ist mit allen 27 Büchern fertig.Vom Alten Testament (Aldes Teschtament) sind 22 von 39 Büchern fertig "übersetzt".
also noch 18 zu übertragen. 

Weltbestseller. Er wird wohl zu den ganz wenigen Menschen dann gehören, die das "meistverkaufte Buch", diesen "Weltbestseller" nicht nur gelesen sondern sich auch damit intensiv auseinandergesetzt haben. Er wird dabei von der Schwieirgkeit erfahren haben, Worte und Begriffe kontextgrerecht in eine andere Sprache zu übersetzen und greift dabei selbst schon auf Übersetzungen zurück, die aus dem hebräisch-aramäischen und griechische-römischen Sprach- und Kulturverständnis ins Deutsche übersetzt worden sind. Eine Arbeit, die man all jenen wünschen würde, die aus drei zusammenhanglosen Wortfetzen der Bibel eine fundamentalistische Ideologie konstruieren.

Staatsbibel. Wird der Weltbestseller aber wirklich gekauft? So kann man auf Stephancom.at lesen, dass im Bibeljahr 2003 12.600 Vollbibeln, 3.900 Neue Testamente und 1.300 Kinderbibeln verkauft wurden. Was macht das aber gegen die  88.000 Schulbibeln aus, die auf Staats- und Unterrichtskosten im selben Jahr (und damit wohl jährlich) ausgeliefert wurden/werden?  Dagegen muss die Türkei als ein aufgeklärtes und liberales Land erscheinen und wird verständlich, warum "christliche" Politiker die Türkei nicht in der EU wollen. Und manche Kritik auch an "fundamentalistischen" islamistischen Regimen wird relativiert.

Spott. Ein solcher aber wäre voreilig. Man würde den für die Gesellschaft, für Wirtschaft und Politik Verantwortlichen doch gerne gelegentlich das Bibelstudium ans Herz legen. Vor allem den Parteiführern, die je nach Redeanlass sich als mehr oder weniger christlich verkaufen oder gar das C(hristlich) in Namen oder Programm führen. Erinnert man sich noch, dass der österreichische Bundeskanzler und damalige ÖVP-Vorsitzende Dr. Schüssel im Jahre 2000 zum vom Bischof Dr. Kurt Kren ausgerufenen Jahrtausendablass, zur Ablasswahlfahrt nach Maria Zell reiste? Der folgende Null-Kontostand im Sündenregister war offenbar so rasch wieder aufgefüllt, dass es der Öffentlichkeit vollkommen entgangen ist, dass dieser hochrangige Politiker - dessen Partei allemal Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit verspricht - einen Ablass überhaupt braucht. Ein Blick in die Bibel hätte ihm und dem Steuerzahler diesen Schmarren, diese Dienstreise zum Ablassholen, ersparen können.

Kirchenfürsten. Aber was will man den Politikern die Unkenntnis der Bibel vorhalten, wenn die Kirchenfürsten sie nicht gelesen haben müssen. Hätten sie sie gelesen, dann  wären manche organisatorischen und moralischen Probleme der Kirchen rasch gelöst. Aber das einseitige unkritische (= kontextlose) Zuwenden zum "reinen" Bibel führt möglicherweise wiederum zu fundamentalen Ergebnissen, wie sie in evangelikalen Kreisen aus den amerikanischen Traditionen und eifriger Missionstätigkeit auf den alten Kontinent herüberschwappen.

Freidank. Schon Freidank (ein fahrender Kleriker ohne Weihen, der vermutlich aus Schwaben oder dem Elsass stammte und zu Beginn des 13. Jahrhunderts wirkte) riet (forderte, warnte oder hoffte?):

        Wie groß der Ketzer Zahl auch sei,
        sie glauben all' verschiedenerlei.
        Wär' aller Ketzer Glauben gleich,
        sie unterwürfen jedes Reich.

        Es zieht so manches Christen Sinn
        zu ketzerischen Lehren hin,
        die schillernd und verführerisch.
        Macht lieber hier erst reinen Tisch,
        dann wendet euch den Heiden zu;
        jetzt laßt sie besser noch in Ruh'.

Lieblingsbuch. Dabei gäbe es auch für die weniger Bibeltreuen gute Anlässe darin mehr als nur zu Blättern. Im Rahmen einer Serie "Mein Lieblingsbuch" der FAZ lobte der deutsche Literaturprofessor Heinrich Detering (immerhin Mitglied im Vorstand der Thomas Mann-Gesellschaft sowie den Jurys für den Kleist-Preis, den Thomas-Mann-Preis, den Büchner-Preis und die Preise der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, den Lessing-Preis, den Mörike-Preis und den Fallada-Preis) die Bibel als das seine:
"... Es sind Stimmen aus fünf, sechs Jahrtausenden, die hier zu Wort kommen; Gottesgeschichte und Menschheitsgedächtnis, Offenbarung und Widerrede. Hiobs Empörung und Kohelets stoische Resignation, die erotische Leidenschaft des Hohenlieds und die fromme der Psalmen, die rätselhafte Einfachheit der Gleichnisse und die Paradoxien des Römerbriefs, die Gerichtsvisionen der Propheten und der Trost Matthäi am letzten: es ist ein Stimmengewirr ohnegleichen, im weitesten denkbaren Klangraum, und irgendwie trotzdem immer nur das eine Wort.
Und eine Summe der Literatur sowieso, mitsamt der noch kommenden, vom "Faust" und dem Josephsroman bis zum hinkenden Teufel John Silver und, ja, bis zu Slow Train Coming auch. Eigentlich fehlt hier überhaupt nichts, ist alles da, und da ist keine Stelle, die dich nicht sieht."
Wie bei der Liebe. Schon in frühester Jugend beschäftigt sich Brecht mit der Bibel. Sein erster Schreibversuch findet im Spätsommer 1913 statt. Für die Schülerzeitung "Die Ente" verfasst er einen Einakter mit dem Titel "Die Bibel". Der Achtzehnjährige notiert in sein Tagebuch:
"Ich lese die Bibel, ich lese sie laut, kapitelweise, aber ohne auszusetzen, Hiob und die Könige. Sie ist unvergleichlich schön, stark, aber ein böses Buch." Nach dem Besuch eines Passionsspiels in Augsburg schreibt der Student im Tagebuch: "Abends in der 'Großen deutschen Passion' der Brüder Faßnacht ... gewisse Bibelworte nicht totzukriegen. Sie gehen durch und durch. Man sitzt unter Schauern, die einem, unter der Haut, den Rücken lang herunterstreichen, wie bei der Liebe."
Sonderweg Europas. Das Verständnis der Bibel würde auch den politischen Sonderweg Europas weit deutlicher machen.  Und gerade in jenen Kreisen, die in der Kostümierung aufgeklärter Menschen  über Gott und die "Bibeln" anderer nicht ungern spotten, die selbst Marxens "Wort" (sic!) gegen "Gottes Wort" Religion sei Opium des Volkes (und fast immer auch falsch: "fürs Volk") zitieren, haben sich zu deren Hoch-Zeiten in "Bibelkreisen" zum Kapitalstudium versammelt und Marx in eklektischen Marxbibelzitaten rezitiert. Der Höhepunkt solcher Frömmigkeit war wohl erreicht als die Nach- und Original68er rote Mao-Bibeln (sic!) schwenkten.

Pflichtlektüre. Für aufgeklärte (!) Politiker und Soziologen wäre allenfalls auch das neue Testament nicht ohne Reiz, wenn man nur mit etwas historischem Wissen den Kontext auch ein bisschen bemüht. Da zeichnen sich Vorbilder für die heutigen Parteien, Massenkommunikation, Propaganda und öffentliche und offene Diskussion, ja Streitkultur - besonders in den Paulusbriefen - ab. Hier zeigt sich tatsächlich etwas vom Sonderweg Europas. Das "Prinzip Hoffnung" (Bloch) wird im ganzen Neuen Testament deutlich, ja die Bezeichnung Evangelien (in deutsch: "Die gute Botschaft") macht das deutlich, was die Parteiprogrammschreiber heute so schlecht können, Zukunft und nicht Zukunftsangst zu vermitteln. Eigentlich eine Pflichtlektüre für jeden "Parteiführer" und wenn schon nicht für diese, so doch wenigstens für deren Parteisekretäre. Dabei dürfen sie die Anweisung des Paulus, wie Vorsteher und Diakone beschaffen sein sollen, auch gerne gerahmt übers Bett hängen.



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