Montag, 30. Januar 2017

[ #FreeBook ] Eigentum und Geschlecht - Jüdische Unternehmerfamilien in Wien (1900 –1960)

Dieses Buch untersucht die Vermögensverhältnisse von Wiener Juden und Jüdinnen von der Jahrhundertwende bis 1938 mit dem Fokus auf Geschlecht als sozialer Kategorie. 

Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die Höhe und vor allem die Art von Vermögen nach Geschlecht strukturiert waren. Weiters werden die Entziehung von Vermögen durch die Nationalsozialisten und die Restitutionen und Entschädigungszahlungen nach 1945 auf Geschlechterspezifika hin untersucht. Für die Zeit vor 1938 werden drei Themenbereiche besonders behandelt, in denen der Kategorie Geschlecht strukturierende Bedeutung zukommt, dazu gehören ökonomisches Handeln, worunter vor allem unternehmerische Tätigkeit verstanden wird, Vererbungspraktiken sowie die Ehe als Vermögen beeinflussender Faktor.

Die Studie gründet sich auf ein Sample von 788 Personen (337 Frauen, 451 Männer), die 1938 von vermögensrechtlichen Maßnahmen der Nationalsozialisten, d.h. deren Raubpolitik betroffen waren. Das Sample war für eine Studie der Historikerkommission der Republik Österreich erstellt worden. Es beinhaltet Vermögenswerte dieser 788 Personen zum Stichtag 27. April 1938, wie sie in der so genannten Vermögensanmeldung, mit der alle als jüdisch definierten Personen, ihr Eigentum den Behörden deklarieren mussten, erfasst waren.

Das in eine Datenbank eingespeiste Sample umfasst ferner Daten zu Restitution und Entschädigung. Diese Daten werden in der vorliegenden Arbeit erstmals geschlechtsspezifisch ausgewertet. Darüber hinaus werden mittels weiterer Quellen, darunter Verlassenschaftsakten, Testamente, Eheverträge, Handelsregister und Grundbücher, die Vermögenssituation von 78 der 788 Personen (Sample II) und ihrem familiären Umfeld, insbesondere ihrer Eltern und Geschwister erforscht. Ziel ist es unter anderem, die Herkunft des 1938 deklarierten Vermögens zu ergründen.

Begründet durch die Auswahl der Untersuchungspersonen, die vom Vorhandensein eines gewissen Mindestvermögens abhängig war, lagen die Unterschiede zwischen den Männern und Frauen des Samples weniger in den Vermögensvolumina begründet, als vielmehr in der Zusammensetzung des Vermögens. Das heißt, das Vorkommen und der Umfang von verschiedenen Vermögensarten waren geschlechtsspezifisch determiniert. Als Ursachen dafür werden in der vorliegenden Studie Vererbungspraktiken und ein segregierter Zugang zum Vermögenserwerb, insbesondere im Bereich des ökonomischen Handelns, des Unternehmertums, identifiziert. Im Detail herausgearbeitet werden Geschlechterspezifika bei Grundbesitz und Unternehmen sowie Vermögenstransfers zwischen den Generationen sowie zwischen Eheleuten. Heiratsgüter beeinflussten nicht nur die Vermögenssituation der Ehefrau bzw. Witwe und des Ehemannes, sondern stellten auch essentielle Finanzierungsquellen für Unternehmen dar. Als besonders bedeutsam stellt sich die Möglichkeit zum ökonomischen Handeln und damit zum Vermögenserwerb heraus, diese Möglichkeit wird, wie die einzelnen Fallgeschichten zeigen, vorrangig in der Familie entschieden.

Beim nationalsozialistischen Vermögensentzug war eine Unterscheidung nach Geschlecht kein vorrangiges Kriterium, so ein Ergebnis, jedoch können Geschlechtereffekte im Vorgehen der Nationalsozialisten gegenüber "Mischehepaaren" dokumentiert werden. Die Restitutionsergebnisse werden von mehreren Faktoren beeinflusst, darunter auch die beanspruchten Vermögenskategorien. Nach Männern und Frauen im Vergleich ausgewertet, spiegeln die Restitutionsergebnisse die Erfolgsquoten der jeweiligen Vermögenskategorien und indirekt die dahinter stehenden geschlechterspezifischen Vermögensstrukturen.

 [ #FREIHANDbuch ]
Lohnt sich ein Download? Ein schneller Blick auf den Inhalt:
Erster Teil
1. Einleitung   9
Vermögensstrukturen als Genderfrage   9
Untersuchungsgruppe          12
Juden/Jüdinnen  15
Zur Theorie von ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital   17
Untersuchungsfelder  20
Ehe als vermögensrelevanter Faktor     22
Erbschaften  23
1938   24
Restitution nach 1945   27
Rechtliche Grundlagen    27
Bezeichnungen: Kaufmann und Handelsfrau   30
Zahlen und Währungsangaben        31
Dank   32
2. Quellen  34
Sample    35
Die Datenbank  37
Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde Wien   38
Verlassenschaftsakten   39
Handelsregister  41
Akten der Vermögensverkehrsstelle    41
Zweiter Teil
1. Das ökonomische Subjekt – UnternehmerInnen  45
Die Bevölkerungs- und Beschäftigungsstruktur in der
Zwischenkriegszeit   46
Geschlecht als Kategorie in der Geschäftswelt des beginnenden
20. Jahrhunderts  50
Berufsstruktur der jüdischen Bevölkerung    56
Bildungskapital  57
Berufskarrieren im Vergleich  58
Die Geschwister Hofmann: Akademikerinnen, Künstler und
UnternehmerInnen    58
Die Schwestern Wollner: Handelsfrau, Ehefrau,
Kleinunternehmerin   64
2. Ehe, Vermögen und Geschäft  69
Verwandtschaften und Unternehmensnetzwerke   71
Eheband – Geschäftsverbindung    74
Firmennamen  76
Ehepaar und Compagnie   77
Das Heiratsgut   80
Das Heiratsgut als Geschäftsgrundlage      86
3. Transmissionen – Tradierung von Vermögen und Kapital     91
Das österreichische Erbrecht    91
Das Ehegattenerbrecht   95
Vermögen durch Erben – Immobilien   97
Familienunternehmen    99
Unternehmensnachfolge    103
Dritter Teil
1. Statistiken des „Jüdischen“   117
Statistische Erhebungen von Juden, Jüdinnen und ihrem
Vermögen   117
Gesetzliche Definitionen ab 1938    121
Die Vermögensverkehrsstelle   122
Exkurs: Die Ausstellung „Die Entjudung der Wirtschaft in der
Ostmark“  124
2. Das 1938 angemeldete Vermögen   127
Gesamtvermögen          130
Grundvermögen    132
Betriebsvermögen    135
Finanzkapital  136
Wertpapiere  137
Bankguthaben    137
Versicherungen    138
Sachwerte: Schmuck, Luxusgegenstände, Kunst   138
Kapitalforderungen   139
3. Entziehung, Verlust und Verfolgung     142
Vermögensentzug als Bestandteil der NS-Ideologie   142
Limitierte Handlungsspielräume der Betroffenen   149
Die Israelitische Kultusgemeinde        153
Mischehen – ein Beispiel geschlechterspezifischer Verfolgung   154
Beispiel einer Mischehe: Die Neumanns      160
4. Restitution und Entschädigung   166
Rechtliche Rahmenbedingungen   167
Restitution und Entschädigung in Sample I   169
Restitutionsergebnisse nach AntragstellerInnen   171
Restitutionsergebnisse nach Vermögen und Vermögensarten   172
Restitution von Liegenschaften   173
Restitution von Unternehmen   174
Restitution und Entschädigung von Finanzkapital   175
Zum Symbolwert des Eigentumsverlustes     176
Vierter Teil
Eine Fallgeschichte    181
Familie und Geschäft  182
Heiraten  186
Erbschaften    190
Nationalsozialismus – Vermögensentzug    199
„Arisierung“ des Unternehmens   199
Zwangsverkauf des Hauses Billrothstraße 4   203
Emigration    204
Rückkehr   206
Restitution und Entschädigung   206
Restitution des Hauses Billrothstraße 4    207
Entschädigungsanträge und -zahlungen      209
Fünfter Teil
Conclusio   211
Handlungsspielräume durch Vermögen     215
Das Heiratsgut    217
Vermögensstrukturen    218
Nationalsozialistischer Vermögensentzug   220
Restitution nach 1945   221
Anhang
Literatur  223
Gedruckte Quellen    251
Quellenverzeichnis    253
Abkürzungsverzeichnis   255
Tabellenverzeichnis