Montag, 13. April 2020

[ #Digitalisat ] Die Troerinnen des Euripides


1913, kurz bevor Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg taumelte, schrieb der junge österreichisch-ungarische /tschechische Lyriker Franz Werfel seine Nachdichtung der Troerinnen.

Ohne die Handlung der euripideischen Tragödie zu verändern, aber mit dem Wissen um über zweitausend Jahre abendländische Geschichte, überträgt Werfel die Trauer der erniedrigten Frauen in die ekstatische Sprache des Frühexpressionismus. Werfels Nachdichtung der "Troerinnen" erschien 1914, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, erstmals gedruckt. Die Uraufführung fand 1916 in Berlin statt, die erste Wiener Aufführung 1920 im Burgtheater. Für die Burgtheateraufführung schrieb Werfel einen neuen Prolog, der seine Erfahrungen im Weltkrieg widerspiegelt.

Ein Drama, das die Wirkungen des Krieges darstellt, doch auf den Lichtblick des Friedens verzichtet, das eine düstere Atmosphäre nie verlässt und sich nur der eigenen Illusionslosigkeit anvertraut, schien und scheint schwer erträglich. Das wohl ist der entscheidende Grund, warum in unserem Jahrhundert die Troerinnen wie kein zweites Stück des Euripides der "Bearbeitung" unterzogen wurden. Neben Franz Werfel (1914) noch von Mattias Braun (1957), Jean-Paul Sartre (1965) und Walter Jens (1982), ...


Der Peloponnesische Krieg. Euripides schrieb das Stück 415 v. Chr., kurz bevor sein Land einen aggressiven Eroberungskrieg begann. Es ist eine der eindringlichsten und erschütterndsten Warnungen vor dem Grauen des Krieges und dem Hochmut der Sieger. Der Dichter schildert nichts, als dass sich die Qual der Opfer immer steigern, die Hoffnungslosigkeit immer vertiefen lässt, dass die Grausamkeit des Menschen grenzenlos sein kann. Die Tragödie ist hauptsächlich eine Darstellung des Unglücks Besiegter. Die Hauptpersonen agieren nicht, sie werden herumgeschoben und erleiden ihr Schicksal, über das sie nicht mehr Herr sind.

Antikriegsstück. Diese Tragödie ist nach dem Chor benannt – die gefangenen Frauen Trojas nach der Eroberung und Zerstörung der Stadt durch die Griechen. Troja ist nach zehnjähriger Belagerung gefallen. Die Sieger haben geplündert, gebrandschatzt, vergewaltigt und gemordet. Die Stadt ist zerstört, die Männer sind tot. Übrig geblieben sind die Frauen. Gefangene und Beute der Sieger: Die Königin Hekuba, die ihren Mann, ihren Sohn Hektor und fast alle ihre Kinder verloren hat. Kassandra, die Priesterin des Apoll, die bei der Eroberung von den Griechen geschändet wurde. Andromache, die Witwe des Kriegshelden Hektor. Und Helena, die zu befreien die Griechen einst ausgezogen waren und der sie nun wie die Troer die Schuld am Krieg geben. Immer wieder kommt der griechische Herold, um den Frauen neue Schreckensbotschaften zu bringen: Hekuba soll dem verhassten Odysseus als Sklavin dienen, Kassandra dem griechischen Heerführer Agamemnon als Nebenfrau folgen, Andromache Gattin des blutigen Neoptolemos werden, Andromaches und Hektors kleiner Sohn auf Befehl des Odysseus getötet werden, um den Troern keinen Rächer erstehen zu lassen. Ein Mittelpunkt des Stücks ist Hekabe, Königin von Troja, die im Krieg ihren Mann und ihre Söhne verloren hat, auch ihre Töchter werden verschleppt, ihr Enkelkind Astyanax, das ihre Hoffnung auf Rache und Zukunft, wird ebenfalls ermordet.

Euripides schrieb mit den Troerinnen eines der ersten Antikriegsstücke, er zeigt den Krieg ohne heroischen Glanz mit seinen grausamsten Auswirkungen. Erstmals wird in seinen Dramen auch die Existenz der Götter hinterfragt, die religiösen Dogmen verlieren an Wichtigkeit, der Mensch an sich tritt in den Vordergrund, mit all seinen Tugenden und Untugenden. Euripides' Warnung verhallte damals wie heute ungehört. Ein großes Heer wurde im Sommer 415 gegen Sizilien entsandt, um die Insel unter die Kontrolle Athens zu bringen. Ziel war es, anschließend Sparta von zwei Seiten - Athen und Sizilien - in die Zange zu nehmen und somit letztlich dem Kampf um die Vorherrschaft über die Hellenen für sich zu entscheiden. Die versuchte Expansion nach Sizilien endete 413 v. Chr. in einer Katastrophe: das Heer Athens wurde vernichtet, seine Feldherren hingerichtet.

Euripides. Euripides wurde um 480 v. Chr. in Salamis geboren, wo er einen Großteil seiner Jugend auf dem Landgut seines Vaters verlebte. Später lebte und arbeitete er hauptsächlich in Athen. Neben Aischylos und Sophokles ist er einer der drei großen klassischen Tragödiendichter. In seinen Tragödien entwickelt er hergebrachte Mythen, überlieferte Dichtung, Sage, Erzählung aus der Vorzeit eines Volkes, die sich besonders mit Göttern, Dämonen, der Entstehung der Welt und ihrer Ordnung durch Heroen befasst. Die Geschichten von Göttern und Menschen dienten zur Erklärung der Welt, gaben Exempla für richtiges und falsches Verhalten und lieferten Begründungen für Kulte, Sitten und Gebräuche. Wichtig ist ihm das Seelenleben seiner Heroen, die große Taten vollbringen und Heroinnen, von Göttern erregte Leidenschaften und die menschlichen Konflikte. Einige der großen antiken Liebesgeschichten stammen von Euripides. Von seinen 75 Tragödien sind unter anderen erhalten: "Alkestis", "Medea", "Troerinnen", "Iphigenie in Aulis", "Iphigenie in Tauris", "Elektra", "Andromache", "Orestes" und "Bacchen". Euripides starb 406 v. Chr. während eines Aufenthaltes am makedonischen Königshof in Pella.


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